Der berufliche Werdegang von Anneliese Schrenk spannt sich vom Kolleg für Mode- und Bekleidungstechnik in Wien 1994/95, dem Studium der Pädagogik, Psychologie und Philosophie an der Karl-Franzens-Universität in Graz 1995/96 sowie Studien zur Sprachheilpädagogik an der Pädak Graz, der Gründung des Künstler*innenkollektivs NUF/NewFactory zusammen mit Barbara Brottrager, Wolfgang Pfeifer und Martin Zottler 2001–2005, dem Studium der bildenden Kunst an der Akademie der bildenden Künste bei Gunter Damisch, Veronika Dirnhofer und Otto Zitko 2002–2009, der Gründung des Modelabels awareness & consciousness mit Christine Gruber 2005–2007 bis zum Studium von Kunst und Kommunikation / Moden und Styles an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Elke Krasny von 2009 bis 2018. Entsprechend breit, offen und eigenwillig entwickelt Anneliese Schrenk ihre Kunst.

Die Künstlerin stellt unter dem gemeinsamen markanten, gleichzeitig sich selbst zu widersprechen scheinenden Ausstellungstitel STOP TO FLY AWAY Fragen nach unterschiedlichen Zeit- als auch Wertkontinuen und -verschiebungen sowie physischer und psychischer Variabilität. Skulptur, Zeichnung und Malerei, Perforation und Markierung, Verdeckung und Offenlegung sind ebenso Parameter ihrer Kunst wie Wandel und Verletzlichkeit. Haut als unmittelbarste, sensibelste, allen Unwägbarkeiten ausgesetzte menschliche, tierische, organische oder technoide Grenzmembran wird von der Künstlerin erkannt, ausgewählt, verdichtet und aufgespannt, tätowiert, gebrannt, bemalt oder beschriftet und diffizil ausgelotet.

Ihre Überzeugung formuliert sie wie folgt: „Tierische Haut = menschliche Haut, Leder = Haut, Tier = Mensch, Haut = Mensch“ und bezeichnet damit die sensibelste Schnittstelle zwischen Innen- und Außenbereich aller Körper, Wesenheiten und Dinge.

Die Haut, unser größtes Organ, deren Verletzlichkeit und Zeichnung durch das Leben geprägt wird, ist unsere durchlässige Grenze zur Welt, aber auch unser erstes Medium als Ausdruck charakteristischer Wesenheit. Ein Kleinkind, das nicht berührt wird, kann nicht überleben. Wir schwitzen mit der Haut, wir frieren, es gehen uns prägende Erfahrungen „unter die Haut“, wir empfinden Beruhigung und Schmerz, sie fungiert als Austauschmembran zwischen innen und außen. Die Sensibilität dieser körperlichen Oberfläche, die selbst zum Bildträger wird, thematisiert die Künstlerin im Wissen um die Kunst- und Kulturgeschichte, deren bewusste Prägung von antiken Tattoos über die Kennzeichnung und Nummerierung aller Inhaftierten des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau bis zur Körperanalyse von Günter Brus und dessen letzter Aktion Zerreißprobe im Jahr 1970, in der er die Selbstverletzung des Körpers bis ans äußerste Limit treibt. Die Erweiterung von Körper und Raum bei Francis Bacon, Joseph Beuys, Franz Erhardt Walter oder Franz West sind in diesem Zusammenhang ebenso wichtig wie die Arbeiten von Louise Bourgeois, Maria Lassnig, Birgit Jürgenssen, Rebecca Horn oder Monica Bonvicini, von Marina Abramović oder Milica Tomić.

Anneliese Schrenk zeigt und konfrontiert uns mit Tierhaut, Verarbeitungsrelikten, Fetischobjekten, einer Unzahl an in- dustriellen Fundstücken, Aluminiumgüssen, die technoide, physische und psychische Assoziationen in ausgeklügelten Spannungsverhältnissen auslösen. Schmerz und Prägung werden in ihren Arbeiten ebenso thematisiert und deutlich sichtbar wie die Macht und Gier patriarchalen, kolonialen oder neoliberalen Gewinndenkens.  Das Zeigen der Ausgesetztheit des menschlichen Körpers, vor allem der Haut und damit der Seele zeigt sich in der Kunst von Ecce-Homo-Darstellungen, Entäußerungen das geschundenen Jesus über Zeig Deine Wunde von Joseph Beuys bis zu Andy Warhols Selbstporträt nach dem Schussattentat auf ihn.

Nach den Verheerungen der beiden Weltkriege sind es Sprach- und Bildzertrümmerung, die unsere Verletzlichkeit wieder zum Vorschein bringen, den Körper und seine Grenzen ebenso ausloten wie Zeit und Raum. Dies drückt sich im Abstrakten Expressionismus, in der Körperkunst und dem Ausstieg aus dem Bild besonders stark aus. Durchschnitt Lucio Fontana die Leinwand, tauschte Günter Brus Körper gegen Leinwand und setzte sich selbst als lebende Malerei in psycho- und körperanalytischer Reflexion dem öffentlichen Raum aus. Peter Weibel öffnete mit dem Expanded Cinema eine weitere politische Dimension, die er konzeptuell in sprachanalytischer Untersuchung, Aussetzung und Fremdberührung des Körpers mit VALIE EXPORT auf die Straße brachte.

Im Wissen um diese Tradition untersucht Schrenk in ihrer Diplomarbeit Haut als sichtbare Grenzfläche unseres Organismus im Verhältnis zu deren Umgebung, die sie als Abschottung, Kontakt- und Konfliktfläche gleichermaßen erachtet. Unter Erwähnung Barbara Dudens plädiert sie dafür, dass Wahrnehmungsgeschichte in die Wissensgeschichte Eingang finden müsse: „Mit dieser aktuellen Hinterfragung der Empfindungen und der Aufdeckung dieser Ignoranz der Wahr- nehmungsgeschichte“, schreibt sie, „kommen wir vielleicht in Folge wieder zu einem Körper, der nicht abgespalten ist von der Umgebung und zu neuen Möglichkeiten von Wissen, Tun und Handeln.“ (aus ihrer Diplomarbeit Wie politisch ist die Haut/ Frantz Fanon – Peau noire, masques blancs 2018, Erstprüferin: Elke Krasny, Zweitprüferin: Claudia Lomoschitz, Vorsitzende: Andrea Haas, S. 97)

In ihrem Denken erweitert sie den Begriff der Haut und stellt ihn in einen holistischen Zusammenhang, der an Michel Foucault, Donna Haraway und Bruno Latour erinnert, wenn sie sagt: „Jeder Mensch, jedes Tier, jede Pflanze, jedes Ding hat eine Oberfläche/Haut und somit eine Beziehung zu diesem Material.“ Dabei setzt sie Haut mit Leder gleich und wählt sie als eines ihrer Basismaterialien. „Leder“, so Schrenk, „war bis zur Erfindung von Kunststoff DAS Material für Industrie und Kriegsführung … Leder ist für mich aufgrund seiner inhärenten politischen Komponente interessant; Haut/ Leder ist immer politisch.“ (Mail am 26.3.2024)

Aus diesen Ansätzen öffnet und erweitert Schrenk Bild, Skulptur und Raum und entwickelt ihre eigene Formensprache. So sehen wir uns großformatigen, in bewusst schlampig mit Goldfarbe bemalten Rahmen befindlichen Bildern gegenüber, deren Struktur unklar erscheint. Man erkennt sie erst durch einen Blick auf die Rückseite des Bilderrahmens. Es handelt sich um Leder ganzer Körper, einem Abfallprodukt der Fleischindustrie, gehandelt als „nachwachsender Rohstoff“. Es sind Ausstoßhäute, jene nicht der Norm entsprechenden Industrieausschüsse, die abgeschliffen und gefärbt zu Möbelüberzügen verarbeitet werden. Schrenk holt sich solche gesamten Rindsleder, an denen man Wunden, Krankheitssymptome, Verwerfungen, Löcher, Zeichnungen des Lebens, Narben, Hautfalten und andere Unebenheiten – das heißt: Individualitäten – ablesen kann.

Nach Bearbeitung durch Kochen, Behandlung mit Säure, durch Nähte, Zeichnung, Tätowierung, Behandlung mit Brennkolben oder bewusste Verschmutzung werden die Tierhäute gespannt. Nun erkennt man die dem Leder eingeschriebenen Lebensstrukturen der organischen Basis. Von der Künstlerin werden Linien tätowiert, Zeichnungen aus der Kunst- und Naturgeschichte eingebrannt, beginnend in der Renaissance bzw. bei den Anfängen der modernen Medizin bis zu Rautenmustern, die an Picassos Harlekine erinnern. Es werden Boa-Federn affichiert oder nicht aufgeblasene Luftballone und biomorphe Abgüsse eingebracht. Jeder Haut ist archivarisch die jeweilige Produktnummer eingeschrieben, die über Lieferanten, Salzgehalt, Geschlecht, Gewicht, Charge und Käufer Auskunft gibt. So wird der Körper flächig und gleichzeitig das Bild zum Körper, der in den Raum ragt, eingreift und befragt.

Ausfransende Unikatgüsse aus Aluminium mit ihren Ausläufern von Tier- und Menschenschädeln oder neutralen Masken, die mit uneindeutigen Attributen behängt und belastet erscheinen, wirken wie Medien. Unter dem Titel Weight on my Shoulders sind sie beschwert mit Sattelgurt, Birnenblei oder SM-Utensilien aus dem Sexshop. Aufgehängt werden sie über Ringe, Karabiner oder Rohrbahnhaken. Verführbarkeit, Verletzlichkeit, Überfrachtung und Verbrämung wird hier eindringlich skulptural vermittelt.

Eine weitere Werkgruppe bilden Fensterscheiben von Unfallwagen, die Schrenk mit Textfragmenten gehörter Songs versieht. Glas, eine andere transparente Haut zwischen dem Innen und Außen eines Autos (auto = griech. Selbst, un- abhängig), wird beschriftet und bemalt, wodurch es intransparent wird, mittels Sprache und Schrift aber Kommunikation aufrechtzuerhalten scheint. Relikte der industriellen Entwicklung werden gleich antiken Ausgrabungsstücken – man ist erinnert an den Stein von Rosetta – präsentiert, die zu lesen Zeit erfordert. Eine Entschlüsselung ist dabei ebenso wenig garantiert wie die Auflösung der Problematik. Die wichtigste Aufgabe der Kunst, neue Fragen zu stellen, ist evident.

Auszug aus dem Text von Elisabeth Fiedler zur Ausstellung: “stop to fly away” gemeinsam mit Michael Kienzer, room of fine arts/Graz, 2024

 

In Anneliese Schrenks Auseinandersetzung und Umgang mit dem organischen Material der Tierhaut wird weit über das sinnliche Erlebnis des Spüren, Sehen, Riechen hinaus, eine unverkennbare ethische und existentielle Ebene aufgeworfen. Das Organ ist atmende Membran und schutzgebende Hülle… Die dichte Konnotation von Haut wird beleuchtet und die Untrennbarkeit von Objektivität und Subjektivität erfahrbar gemacht. Der Menschen und seine Einflussnahme auf seine Umwelt, wird durch Anneliese Schrenks Arbeiten unweigerlich sichtbar.

Katherina Mair, 2022

 

 

Anneliese Schrenk has long engaged with the cultural coding of an organic material: leather. Every piece was once skin. “But skin”, according to Anneliese Schrenk, “represents the outer border of a living being. It gives it its individual form and relays its history. Skin without a body is inconceivable”. Between the skin of a body and leather lies the taboo of death. This gives the handling of the medium an unmistakably existential and ethical dimension. It is not surprising that the motif of skinning, skin and leather has its own place in many myths and proverbs. If we look at the broader meanings of “skin”, “peau”, “haut” or “pelle” in different languages, contrary qualities, such as vulnerability, security and protection overlap. The inner and outer merge in the dense connotation of skin. Subjectivity and objectivity cannot be separated.

While animal skins are considered waste by the meat processing industry, tanneries qualify them as “renewable raw materials”. In order to satisfy their customers’ taste, the leather industry endeavours to erase the individuality that each (animal) skin has “acquired” over the course of its lifetime (Anneliese Schrenk). The artist tries to counteract this. “How would it be,” she asks, “if we sat on an airplane, in a car or a in train and if every seat was as unique as each person sitting on it?” So, Schrenk works explicitly with skins that have been rejected, so-called ‘reject hides’, regardless of whether they were damaged during the tanning process or because they have too many natural irregularities, such as scars, skin folds, excessive pigmentation or insect bites.

Excerpt from a text by Heidrun Rosenberg on the occasion of the exhibition „silent matters“ at the gallery “Raum mit Licht”, Wien 2019. Translation: Jonathan Quinn

 

 

In her works, the artist Anneliese Schrenk is devoted to the processing of leather since years. Here she builds and spans giant canopies which are evocative of tents made of hide. These makeshift or seemingly incomplete housings oscillate between abstraction and concreteness, between a possible history and its denial. In the room, the sculptures are self-confident even if they are only loosely insinuated and not entirely elaborated, yet, they are attached to their possible functions. By constructing, spanning, coiling, knotting, hanging, with the help of hooks and iron rods, by creating the possibility to let something down, to brush something aside and to extend, to turn inside out, step by step, layer after layer, the desired effect comes into being. The exhibition interior becomes exterior, becomes the infinite expanse to the point of an abstract room. If this place were a different one, if the wind were coming from another direction — in short: if all of the circumstances were different —, so the structures and positions would also have become something else. Also here, everything is static as well as flexible, and, hence, creating an enormous tension. 

In Schrenk’s work the human being is often invisible. Though, its quest for meaning, sometimes its search for protection or luck, its resignation and its energy, all these are omnipresent.

Excerpt from a text by Siggi Hofer on the occasion of the exhibition “KAOS” at Kunstverein Schattendorf, Schattendorf 2018. Translation: Stefan Thyri.

 

 

 

House of Losing Control/Vienna Art Week, 2021.

Ohne Wort (Immer öfter fangen meine Gedanken die Vorstellung ein, dass Pflanzen, Dinge, Räume und Tiere die Zartheit der Menschen vermissen), 2021.

2x je 200x303x40 cm

Bemaltes Lochblech, Gewindestangen, Muttern, Schrauben, verschiedene Gegenstände

Liste der verwendeten Gegenstände, violettes Lochblech: 2 Futterraufen mit Futterspargitter, 3 weitere Futtertröge, Einschlagbodenhülsen, Aluguss: „Cranium“, 2015

Liste der verwendeten Gegenstände, orange/blaues Lochblech: Rechter Teil: Zeichnung mit Rohrbahnhaken, Eimerhalterung, Anti-Stressball Schweine, Charlie Chaplin Marionette, Angelhaken, Lochwandhaken, Pfeifenputzer, Alugussschachfiguren, Tränkebecken, Eierverpackungsguss, Zitronen getrocknet, Fotoarbeit: „ … und nun das Wetter (Fische)“, 2018 Mittlerer Teil: Pferdedeckenhalter Metall, Enthaarungskette, Spezialhaken Fleischindustrie, Hula Hoop, Fitting Kamm SHOW, Drehhaken, Kettenteil Gürtel, Arbeit: „Hausgeist“, 2021, Nippel-Klammern mit Kette, Fischfutterkorb mit Blei Linker Teil: Eimerhalter, Lebensmittelsieb, Aluguss Viehsaugentwöhner, Weidedrahtzaun, Porzellanpuppenkopf,  3 Alugussschlagstöcke, Halterung Fleischindustrie, Wildspreize, Wühlmausbekämpfung, Erdbohrer mit Laufreinigungsschnur, S-Haken, Drehhaken, Lusterkette, Tierbändigung mit Panikhaken, Sicherheitsnadeln auf Weidedrahtzaun, Beinbremse, Dornhakenstange, Unterarmschnittschutz, Stechschutzhandschuh, Teil Pferdedeckenhalter, Eckhalterung für Schweinespielzeug mit Angelblei und Wirbel, Strumpfgürtel, Beißring NATUR mit Aufhängekette, Fischtöter, Entblutehaken auf Karabiner Forstindustrie, Rohrbahnhaken, Alugusskleiderbügel mit Thunfischhaken/Agraffe + Plastikfund Strand Palermo 2018, Reitgerte, Angelbedarf, Ladewagenmesser auf Alukleiderbügel Direkt an der Wand: Reiterbedarf fahren, Clownnase, Nasenbremse, Nasenring, Lupe, Klöppel, Zauberwürfel, Ring Taschenproduktion, Affe, leere Patronenhülse auf Halskette, leere Patronenhülse als Anhänger, Zitronennetz Bio, Sorgenpüppchen mit Verpackung, Puppe  als Schlüsselanhänger, Nasenring, Penisschmuck, Luftballon, Karabiner, Augenhaken, Metalltasche alt, Feder, Rohrschelle auf Karabiner, großer Fleischhaken alt, Reitgerte, Kuckucksuhrgewicht Zapfen, Militärische Erkennungsmarke, Reitgerte, Armband mit Stoffsalamander, Fischfutterkorb, 2 Metallteile gefunden am Blech, Gürtelring mit Kunstköder und Seidenstoff, Aluplättchen mit Prägung + Draht 002, Edelstahl Topfreiniger, Silberketten mit Silberplättchen geschwärzt und bearbeitet, Rachensperre, Faden, Gummiteil Fund: vorhandenes Lochblech, Wasserflasche Militär

 

 

 

Analogous to the title Anneliese Schrenk (*1974) places the object itself in the center of her exhibition.

In “Il titolo é il titolo” the artist unites various design objects and installations to a unique room situation.One, that seems to be at first sight free of unnecessary details and immediately is tempting to lead the viewer promptly into a false conclusion:What is here assigned to the abstract, is a turning away from it! Rather Anneliese Schrenk’s artworks are creating a connection to the physical.

After shaking off this first impression, the visitor faces works free of distraction, that can be located at the inter-face between art and design.The piece “Tarnung”, placed in the center of the room, is a network of braided leather that is striving in all directions, covering parts of the floor and as well furniture. “Tarnung” (as the German word for camouflaging) astutely captures a main idea of Schrenk’s approach to art and its materiality: Her artworks hardly allow the viewer to be identified at first sight.Au contraire – they often capture a strangeness, that encour- age the beholder to explore and discover them.

Other loosely installed metal objects in the room follow this idea, they are as well a fusion of different elements coming from a context of the meat production industry and follow the tradition and idea of the ready-made. Schrenk compounds them by adding different parts – such as pigeon protection and fishing hook – so that they be-come silver, glossy formations, that emit a cold-brutal romanticism.They are the instruments of our contemporary hunter-gatherers, that are consumers of a abstruse product culture coming from an economized society, that haslost connection to its objects.

It is the power of dismantling that the artist is using here, it is destruction that forms something new.
“Il titolo é il titolo” is capturing a sense of rawness and brutality by discarding everything that is unnecessary – and therefore find its way quickly to the awareness of the beholder.

Il titolo é il titolo. Mario Mauroner Contemporary Art/Text: Eva Greisberger, Wien 2019

 

 

 

Dem Titel sinngemäß folgend, setzt die Ausstellung der österreichischen Künstlerin Anneliese Schrenk das Subjekt selbst ins Zentrum. “Il titolo é il titolo” beschreibt eine Raumsituation, die auf einen ersten Blick dem Betrachter gegenüber leer und von unnötigen Details befreit erscheint – und ihn dabei prompt zu einem Trugschluss verleitet: Denn was hier dem Abstrakten zugeordnet wird, ist eine Abwendung davon! Vielmehr stellen die Arbeiten der Künstlerin eine Ankopplung an das Körperliche dar.

Wenn also der Betrachter diesen ersten Eindruck abgeschüttelt hat, so befindet er sich auf dem rohen, unabgelenk- ten Erkundungsfeld verschiedener Objekte und Installationen, im Grenzbereich von angewandten Design und Kunst.Die im Raum zentral angeordnete Arbeit “Tarnung” lässt dabei netzartig organische Geflechte über den Galerie- boden krabbeln und in alle Richtungen streben. Diese fungiert gleichzeitig auch als Tarnnetz, als dass sie darunter Ver- borgenes schnell erahnen lässt, im gleichen Maße aber auch intendiert, dieses zu verhüllen und letztlich zu verstecken. Mit dieser Arbeit greift Anneliese Schrenk eine Haltung auf, die ihr Werk und deren Materialität bestimmt: Kaumlässt sich die Zusammensetzung der Objekte auf Anhieb identifizieren. Vielmehr haftet eine oft akute Befremdlichkeitjenen an und erst wenn diese einmal abgelegt ist, lassen sich Schrenk’s Arbeiten in einem zweiten Beobachtungsanlauf hin buchstäblich als Lederhaut enttarnen.

Weitere im Raum arrangierte Objekte metallischer Art, bestehen dabei aus unterschiedlichen Einzelteilen, hauptsäch- lich der Fleischproduktionsindustrie entstammend und folgen einer langen Tradition des ready-made.
Einzelne Komponenten – beispielsweise Taubenschutz oder Angelhaken – fügt die Künstlerin hier in spielerischerManier zu silbrig, reflektierenden Gebilden zusammen, die einen kalt-brutalen Romantizismus ausstrahlen und dabei einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen. Sie stellen Instrumente dar, die umgemünzt auf das Profil des zeitgenös- sischen Jägers und Sammler, einer abstrusen Produktkultur einer ökonomisierten, vom Kapitalismus durchdrungenen Gesellschaft entstammen – die dabei den Bezug zu ihren Objekten gänzlich verliert.

Schrenk verweist durch ihre Intervention auf eine Form der Kunst, die aus Zerstörung hervorgeht und demontiert dabei den Auswurf der Industrie. “Il titolo é il titolo” ist roh, brutal und unabgelenkt – und gelangt durch die Macht der Tarnung wie ein trojanisches Pferd (leider aus Holz) erschaudernd nahe an das Selbst heran.

Zur Ausstellung: Il titolo é il titolo. Mario Mauroner Contemporary Art/Text: Eva Greisberger, Vienna 2019

 

 

Es ist die Form der Kunstwerke selbst die bei den Werken von Anneliese Schrenk (*1974 Österreich) zuerst die Aufmerksamkeit des Betrachtenden fordern. Jener findet großflächige Materialitäten vor, die dann oft zu raumübergreifenden, hängenden und oder lehnenden Installationen vereint werden. Sich diesen Gebilden annähernd, präsentieren sich nach und nach unterschiedli-che Qualitäten von Oberflächenbeschaffenheiten, die irritieren und überraschen, sich dadurch unabhängig machen und so zu einer neuerlichen “Materialerzählung” ausholen. Dabei verwendet die Künstlerin in ihren Werken oft Lederhäute, spielt mit sei-nem immanenten Charakter von Brutalität und inszeniert jenes mit wenigen Hilfsmaßnahmen, sodass sich der Betrachtende in einer Situation von Erforschen und der Befremdung durch dieses wiederfindet. Der Blick stößt dabei auch immer wieder auf unterschiedliche meist metallische Objekte, die dem ursprünglichen Kontext entnommen wurden oder auf großflächige Frot-tagen, die rätselhafte Spuren von Strukturen aufweisen und einen flüchtigen Blick verwehren, vielmehr ihn in sich hineinziehen.

Zur Ausstellung: Parallel Vienna. Mario Mauroner Contemporary Art/Text: Eva Greisberger, Wien 2018

 
 
 

Die Arbeit von Anneliese Schrenk basiert vorwiegend auf dem Material Leder. Sie macht Bilder aus Häuten, aus dicken, gegerbten Rinderhäuten, auf denen noch zart die Narben, die Verdickungen, die Meridiane der lebenden Körper sichtbar sind. Die Lederhäute, welche sie verwendet, sind sogenannte Ausstoßhäute. Diese Häute weisen für die Fertigung von Learjet-Sitzen, sowie Edelhandtaschen und Schuhen zu vieleMakel auf. Sie sind aufgrund natürlicher Merkmale am Tier oder wegen Verarbeitungsfehlern in der Fabrik ausgesondert worden. So ziehen sich Linien, Furchen, Kratzer und auch Löcher durch die Bildwelten von Anneliese Schrenk. Aufgezogen auf Keilrahmen – und somit den Begriff der Malerei übernehmend – präsentiert die Künstlerin Haut: Das einst lebhafte Material wird zum Kunstwerk deklariert.
Schrenks Werke lenken den Blick auf die Werte- und Bedeutungsebenen zwischen Mensch und Tier. Die vielfältige Präsentation des toten Tieres lässt uns in Berührung kommen mit einer verführerischen Lederhaptik als Teil eines multisensorisch erlebbaren Kunstwerkes. Schrenk schafft ein künstlerisches Labor und nimmt uns bei ihrer Untersuchung mit auf eine Reise, die von der Aura des Ledergeruchs begleitet wird. Wie der österreichische Kulturwissenschaftler und Philosoph Thomas Macho herausstellt, gab es eine Differenzierung zwischen Mensch und Tier in der Kulturgeschichte relativ spät. Vermutlich war es erst Aristoteles, der den Horizont einer empirischen Zoologie zu erschließen begann. Vor Aristoteles ist anzunehmen, dass der Mensch noch nicht als „das Gegenüber”, „das Andere der Tiere“ galt. Erst mit der Definition des Menschlichen durch die Behauptung einer Differenz, dass „der Mensch ein Tier sei – aber ein besonderes Tier“ (Aristoteles), da er als einziges Wesen zur Staatenbildung, zur Sprache und Kommunikation befähigt sei, begann eine Abhebung. Das Tier hat im Laufe seiner Domestizierung einen anderen Platz in Bezug auf den Menschen eingenommen – einnehmen müssen. Es wurde aus den Mythen gedrängt, es wurde aus dem Himmel gedrängt, es wurde als Arbeitsmaschine degradiert, um schließlich mit den Industriegesellschaften in die Schlachthäuser zu gelangen. Als Schoßtier, Kuscheltier oder Werbemaskottchen erscheint das Tier dann wieder als Surrogat seiner naturgegebenen Bestimmung in unserer heutigen Gesellschaft.
In der neuen Serie „Portraits” bedient sich die Künstlerin drei simpler Schnitte, um eingängige menschliche Mimik mit der Haut geschlachteter Rinder zu arrangieren. Mit den Emoticon-artigen Gesichtern thematisiert die Künstlerin auch hier die Inkohärenz archaischer Bedeutungsebenen zwischen Tier und Mensch. Ironisch und voller verzweifelter Belustigung strahlen großformatige menschliche Fratzen von den Ausstellungswänden. Das Gesicht der Menschheit, virtuos geformt aus industriell verarbeiteter Tierhaut ahnt, dass auf dieser Welt ein Missstand vorherrschen muss. „Im Grunde ist das Punkt-Strich-Gesicht ein Zeichen das jeder erkennt, egal aus welchem Kulturkreis. Die Maske im traditionellen Sinn gab den Menschen die Möglichkeit sich in etwas oder jemanden anderen zu verwandeln. In Zeremonien und Ritualen wurden sie zu sakralen Gegenständen erhoben. Die Maske hatte oft eine spirituelle, übergeordnete Kraft”, sagt die Künstlerin und sieht hier durchaus eine positive Seite in der Zelebration alternativer Wahrheiten. Kritisch betrachtet ist die Maske bei Schrenk auch eine Metapher für das Gesicht der heutigen Regierungen. Die großangelegte Irreführung der globalen Bürgerschaft, die sich angesichts der Qualität entdemokratisierender Irritationsstrategien der Medien- und Weltpolitik hilflos fragt: Soll man weinen oder lachen?
Die installativen Objekte konstruiert aus Drahtkleiderbügeln, Alugusskleiderhaken, verschiedenen Angelhaken, Schabglocken aus der fleischverarbeitenden Industrie und Angelruten wirken teilweise sehr zart, aber auch sehr brutal. Sie untersuchen und dokumentieren die ambivalente Ästhetik des Homo Sapiens an der Schnittstelle vom modischen oder fetischisierenden Menschen zum Jäger und Schlächter. Eine fantastische Filigranität begleitet von einem hocheffizienten Trans- und Regressionspotential im imaginierten Opferkörper kommt in den Skulpturen „Ohne Titel (Schlachthausfreundmetallgeflecht 10mm)“ und „Ohne Titel (Schabglocke)“ zum Ausdruck. In der Arbeit „Ohne Titel (Kettenhandschuh)“ bezieht sich Schrenk auf Utensilien, die im Schlachthaus für die Verarbeitung von Fleisch zum Einsatz kommen. Andere Arbeiten zeigen Gerätschaften und Objekte, wie Ketten, Stangen oder Panikhaken, die zur Tierbändigung eingesetzt werden, aber genauso in der menschlichen Praxis des Sado-Maso Anwendung finden könnten. So befragen die Werke gleichsam den Ist-Status unseres gemeinschaftlichen Miteinanders. Die Kleiderhaken symbolisieren die Abwesenheit eines Menschen bzw. eines Kleidungsstückes. Sie sind plötzlich unnütz und werden zu Verbindungen im Hakensystem. Im Grunde sind Kleiderhaken ja nicht aggressiv und für etwas Positives zuständig. Anneliese Schrenk balanciert hier Realitätsebenen aus.
Bei der Installation „Raum 1022“ ist ein verlassenes Gästebett zu sehen. Die Künstlerin hinterlässt ein ambivalentes Bild. Der Betrachter fragt sich, wer dieses Lager wohl bezogen haben könnte und unter welchen Lebensumständen dieses bewohnt wurde. Es strahlt etwas Freies und Nomadisches aus, doch in ihrer Leere tragen die alten, wilden Matratzen etwas Beunruhigendes in sich. Die aus Lederbahnen skizzierte Zeltstruktur bietet einen gefühlten Schutz, ist faktisch aber durchlässig. Eine Kupferplatte wird als Kopfkissen inszeniert. Historisch wurde Kupfer als Spiegelbild benutzt. Der getriebene Mensch verarbeitet in seinen Träumen ungelöste Fragen seiner Seele. Auf ständiger Jagd und auf der Flucht vor sich selbst findet er in der Kunst seine Antwort.

Zur Ausstellung: Portrait und Hinterzimmer. CircleCultureGallery/Text: Johann Haehling von Lanzenauer, Berlin 2017

 

 

The solo exhibition “Beast of Burden” presents a selection of the multifaceted minimalist works by Austrian artist Anneliese Schrenk. Expansive site-specific installations, large-scale paintings and works on paper epitomize her survey of body and space.

Geometric and organic shapes are predominating when entering the exhibition. The mostly dark colors of the exhibits highly contrast the white walls. A long, whip-like strap suspended from the ceiling winds its way through the vast longitudinal gallery space and guides the first steps inside. The viewer is confronted with objects that do not reveal their nature immediately: A long belt mounted on the huge opposite wall draws a jagged line, rising and falling between ceiling and floor. At the opposite end of the corridor, black straps enter the space, hanging heavily from the ceiling, weighed down by iron pieces. A large-scaled rectangle resembles a monochrome canvas with abstract gestures. On closer inspection it becomes apparent, that there are no brushstrokes of paint, but rather the surface itself embodies the structure. Successively, the materiality of the objects becomes evident. The viewer recognizes a familiar texture, and occasionally, even a characteristic smell can be noticed: These objects are made of leather. Abstract lines suddenly become more figurative, depicting scars, scratches, wrinkles and other marks of a former living body.

Anneliese Schrenk creates her artworks primarily from thick, tanned cowhides – hides that have been discarded by factories due to their many natural features and processing errors during manufacturing. The resulting texture is a substantial element in Schrenk’s practice: Based on the idea of Duchamp’s readymades, she displays the raw material on stretcher frames, thus creating images out of the predetermined structure. In other works, the hides are processed with water, heat or acid. Thereby, the artist adds painterly marks to the original surfaces. Cut and stretched through space, crumpled or folded, the hides enter the third dimension as well, performing as sculptures or installations. Schrenk even adopts the texture of the leather hides in another medium: In the appendix to the gallery, the walls are densely covered with paper-based works. Therefore, the artist uses the technique of frottage, tracing pavements, walls and floors. Thus producing a structure that refers to the leather works, she adds an abstract dimension to the initial material.

By disconnecting the leather from its usual purpose, Schrenk seeks to reflect on the origin of the hides: as skin of a being, it once has been the defining shell of the body, a boundary between the self and the world outside. In this context, the thinly cut strips of [Draw] that stretch all over the white wall bring the vulnerability of our bodies and lives to our minds. Schrenk’s concept of skin guides beyond, conceiving it besides its literal sense as being outer shells in general. The artist provides subtle indications to the many levels of meaning: [Lederhäute aufgehängt] quickly evokes the connection to a piece of clothing, which today rather than our own skin builds the layer between the body and the outside – it is not by chance that we often call it our ‘second skin’. In a broader context, architecture provides a further shell. By reproducing the lifelines of buildings and streets into her works on paper and thereby repeating the structure of leather, she explicitly refers back to her concept. In the midst of the architectural structures, she offers then again a cavernous place of retreat within the exhibition. Thinking further, even the space beyond can be considered as our outermost shell that encloses all – delimiting, but connecting alike.

Body and space are the two constitutive elements of earthly existence, and so they are in Schrenk’s artistic approach to fundamental questions in life: Her practice often begins with a measurement of objects and beings, transferring the proportions into her artworks. What is the size of a cow’s skull compared to the human one’s? And how could the relation between the human skull and its body be seen? By focusing simple proportions, Schrenk does not only relate beings to one another, but also investigates their condition in space. Consequently, the whole environment becomes subject of her measuring. Therefore, her artworks’ impression vary relating to the space in which they are installed. Where the thin leather strips are placed, they are constantly scanning and tracing the surroundings. They enter into dialogue with the architecture: The leather straps of [Käfig] emerge from the walls and repeat the contours of the distinctive gallery’s pillars, thus creating a three-dimensional drawing of the architectural form.

Schrenk’s visual language can hardly be grasped. Her works deny a rigid classification to one artistic genre. Provokingly titled as drawing, painting or sculpture, their materiality seems to negate the traditional notions. Creating a fascinating ambiguity, the works of “Beast of Burden” invite the viewer to pause and let the obscurities work.

Zur Ausstellung: Beast of Burden. CircleCultureGallery,  Berlin 2015

 

Anneliese Schrenk’s paintings are defined by their skin. Working almost exclusively with leather, the connection to the body is literal. She burns, washes, folds and slashes the flesh in a process that can border on violence, yet the result is always controlled, formal and ultimately serene.
Animal hides have been used throughout history for clothing, protection and decorative objects. At a certain point man figured out how to preserve and soften leather by using smoke, grease, and bark. Today tanning is an industrial process with very high quality standards. Schrenk uses the leather that has been rejected, either due to natural markings on the animal or faults in the factory, as the material for her Flawed Hides series. In Flawed Hide 21 (2011), a black piece of defected leather is stretched over a 210 . 180 cm stretcher, allowing the marks and discolorations to perform as abstract gestures. A grey, ghostly fog emerges from the blackness forming a blurred cross in the center of the image. Life and loss are present in the surface of the skin. While the Flawed Hides are some of Schrenk’s most simple paintings, they are also among the most haunting. Although the artist does not intervene or manipulate the surface, her sensitivity, the way she reveals the composition, is deeply considered.
With the Cooked series surface is turned into sculpture. Continuing her research and preoccupation with leather, Schrenk cooks, dyes, and hardens the material to create a mass of frozen folds. In Cooked #6 (2013), the leather is contorted into a wad revealing both sides of the surface– two shades of fleshy-pink. The once-taught epidermis is wrinkled and deformed, with no visible support (no bones), just layers of gathered flesh. The result is decidedly organic, and relates to Lucy Lipard’s description of “anti-form” as being, “not so much opposed to form as committed to introducing another area of non-formalist form to be delt with.”1
With anti-form, manipulation of material by hand, imprecision, and chance are celebrated.

Julia Trotta, 2013.

 

 
 

Lines, groove, scratches and holes show themselves throughout Anneliese Schrenks pictorial world. A sensual play of texture comes into being. Mounted on stretchers – thus adopting the concept of painting – the artist presents skin: leather hides. A former living material that through the tanning process was made durable and exposes its texture and beauty.

Since Marcel Duchamp, the use of non-traditional materials isn’t a novelty in art. This form of art assigns the artist with a new mission, they become a seeker in a never-ending stock of everyday objects. Leather is such an object. Whether it is the living room furniture or the car upholstery, we are confronted everywhere with this animal material, which once was the skin of a living being. And what does Anneliese Schrenk do? She searches for this material, takes a flawed leather hide and mounts it on a supporting construction: the stretcher, which was traditionally carrying art or respectively painting. The hide and its texture determine the size of the piece of art. Inevitably a certain randomness resonates here, because texture and nature can only be determined from the leather hides that are available.
And still: At first glance Schrenks imagery appears to be pure painting. Abstract paintings with fine sections and again vibrant colour shades. This is not surprising, as animal skin and also meat, are constant companions in painting. Especially if we look at meat, it was for example for Rembrandt, Soutine and also Bacon a constant measurement in the conflict of what was considered beauty. Bacon was so fascinated by the raw, that he said: „ Of course a painter is constantly reminded that the colour of meat is actually very very beautiful. Well, we are ourselves meat, potential carcass“.

Anneliese Schrenk leaves out the meat, although the animal scent is still present when she translates skin, once covering raw flesh, into a piece of art. In her later works she gives back a body to the hides. She washes the leather, dries it and moulds it into a hardened shape. If lying on the ground or hanging on the wall the pieces of leather reach out, become organic or remind us of a dropped roll of fabric and some with delicate ends reach out into the space. Like folds of garments from baroque figures they seemingly swing to new heights and yet, can black leather withstand the comparison with these sacred ornaments? Yes. Because the tranquility that Anneliese Schrenks work radiates, refers to this spiritual transcendence. An exciting opposition is happening, between vulnerability, black leather, lightness and also beauty, which gives her work a special depth leaving some paths open for the future. When reading about Anneliese Schrenk often the term brutality comes up… The skin and its vulnerability show markings of the past. This kind of injury is also not new, just think about Lucio Fontana and his canvases with cuts. Also Annelies Schrenk for some of her works processes the leather causing further injuries by using fire, shoe polish and also acid. Thus she examines the leather and its behaviour and she accentuates – or „paints“ – on the canvas. The arising texture is thereby incorporated in her works on paper. Using the technique of frottage, which through Max Ernst was accepted into the canon of art terms. Anneliese traces different materials and textures. If pebbles or pavement, the graphite pencil by tracing the unevenness and as a result are giving the leather “painting“ a depth effect and a texture, that again form a link with one of the many definitions of abstract art.

Anneliese Schrenk’s art takes on typical forms in art in order to partly negate them with non-traditional art material. The material being the main protagonist in her works. The artist can often only intervene in a peripheral way in terms of a predetermined principle of contingency. Partly the material can be moulded and again it cannot be. This creates tension: vulnerability against beauty, purity against the originality of the material: namely the leather hide!

Eva-Maria Bechter, 2014

 
 

… Anneliese Schrenk takes up the language of Minimalism and Arte Povera, leading
to slight moments of displacement in her work, which addresses the vulnerability of
materials as well as the impossibility of a perfectionist idea of being.

Walter Seidl, 2008

 
 
 

Wenn Anneliese Schrenk die Leinwand durch Tierhäute ersetzt und deren Oberfläche zum selbstreferentiellen Narrativ des Bildes macht, reiht sie sich ein in die Tradition der künstlerischen Bildkritik. Die Kunst der Moderne brach mit dem Gemälde als illusionistischem Fenster in die Welt, machte die künstlerischen Mittel autonom. Als Inbegriff des Bildes wurde die Leinwand auf unterschiedlichste Weise erweitert, attackiert, vernichtet, digitalisiert, überflüssig gemacht. Angesichts der historischen Referenz auf die Bilderstürme greift Anneliese Schrenk zurück auf das Archaische. Tierhäute sind Teil der Kulturgeschichte des Menschen seit Anbeginn. Der Prozess des Aufspannens, mit die Künstlerin sich formal auseinandersetzt, ist dabei in den meisten Verwendungsformen elementar, nicht nur bei der Produktion von Leder, sondern auch bei der Herstellung von Schlaginstrumenten oder von Pergament. Gerade Pergamente sind seit den frühen Hochkulturen bis ins Mittelalter ein Speichermedium, das sich besonders für die Technik des Abkratzens und Überschreibens eignet. Damit wird das Palimpsest zum Sinnbild für die Überlagerung von Informationen und Traditionen. Peter Weibel etwa betrachtet Überschreiben und Neu-Codieren als elementare Strategie des kulturellen Wandels.

Solche Palimpseste sind mehrfache Erinnerungsspeicher, als ein dem Papier vorangehendes Informationsmedium, aber auch als Haut selbst. Jeder Haut sind die Spuren des Lebens eingeschrieben. Im Zuge der technologisch-medialen Aufrüstung des Körpers und den virtuellen Welten wird oft vergessen, dass der Körper unser erstes und wichtigstes Medium ist. Hans Belting hat in seiner Bild-Anthropologie (2001) herausgearbeitet, dass auch in der gegenwärtig überbordenden Bild-Kultur immer noch der Körper das Medium aller Bilder ist. Denn die Bilder realisieren sich erst durch die Konstituierung „innerer“ Bilder, es findet also ein „Medientausch“ statt, im Zuge dessen der Körper zum „lebenden Organ für Bilder“ wird (Belting 2001: 58).

Wie Bildoberflächen ist auch die Hautoberfläche ein Informationsträger, also Medium – und sinnfällig lässt Anneliese Schrenk mit ihren Arbeiten Bildträger und Bild, Bildspeicher und körperliche Präsenz in eins fallen. Die Abbildung, das narrative Moment des Bildes, verlegt die Künstlerin in die Spuren einer gespeicherten Geschichte, die diese Hautflächen und Hautkörper tragen.

Die Häute, mit denen die Künstlerin arbeitet, sind ihr wichtig als Hüllen, die Körper schützen und formen. Sie formen Räume und sie prägen Umgebungen, ob als erste, zweite oder dritte Haut (Kleidung, Architektur), da ihnen, wie allen Hüllen, die Geschichte dessen, was sie innen und außen umgibt, eingeschrieben ist.

Über die kultur- und kunsthistorischen Kontexte hinaus geht es Anneliese Schrenk um künstlerische Material- und Formanalysen mit den Häuten. Sie spannt sie als Bild auf, aber bereits durch die Unregelmäßigkeiten und die Kompaktheit des Leders changieren diese Wandbilder zwischen Bild und Objekt. Oder sie bearbeitet das Leder mit Wasser, Hitze, Säure, Schuhpaste und fügt den bestehenden Oberflächen neue Spuren hinzu. Sie überarbeitet Papier, bis es wie Leder wirkt. Sie schleift die Häute, schneidet sie, formt sie zu Objekten, indem sie das Leder im nassen Zustand faltet oder zerknüllt, um es dann in zufälligen „Schrumpeln“ oder gezielten Schichtungen aushärten zu lassen. Anders wiederum die minimalistischen lederbespannten Quader und Kuben – hier erzeugt ein geometrisches Gerüst formale Klarheit und kontrastiert mit der Sensualität der Tierhäute. In allen diesen Arbeiten erwirkt die Haut als Teil und als Spur des Lebens eine irritierende und alle umfassende Sinne Präsenz.

Astrid Kury, zur Ausstellung in der Akademie Graz, 2014

 

 

 

Linien, Furchen, Kratzer oder auch Löcher ziehen sich durch die Bildwelten von Anneliese Schrenk. Ein sinnliches Spiel von Struktur entsteht. Aufgezogen auf Keilrahmen – und somit den Begriff der Malerei übernehmend – präsentiert die Künstlerin Haut: Lederhaut. Ein vormals lebendes Material, das durch den Arbeitsvorgang des Gerbens haltbar gemacht wird und seine Struktur und Schönheit freilegt.

Die Verwendung von artfremden Materialien ist seit Marcel Duchamp keine Neuheit mehr in der Kunst. Der Künstler erhält in dieser Form der Kunst eine neue Aufgabe zugewiesen, er wird zum Suchenden in einem unendlich großen Fundus an Alltagsgegenständen. Leder ist so ein Gegenstand. Ob in der Wohnzimmereinrichtung oder auf dem Autositz, überall begegnet uns dieses tierische Material, das einst die Haut eines Lebewesens war. Was macht nun Anneliese Schrenk? Sie sucht sich dieses Material, nimmt Ausschussleder und spannt es auf einen Bildträger, der schon jeher, die Kunst respektive die Malerei gehalten hat: auf einen Keilrahmen. Die Größe des Kunstwerkes wird von der Haut und ihrer Struktur bestimmt. Eine gewisse Zufälligkeit schwingt hier unweigerlich mit, denn Struktur und Beschaffenheit kann nur aus dem vorhandenen Lederteil gewonnen werden.
Und doch: Auf den ersten Blick wirken Schrenks Bilder wie reinste Malerei. Abstrakte Gemälde mit teils feinen und dann wieder kräftigen Farbnuancen. Dies ist nicht erstaunlich, ist doch gerade das tierische Produkt ob Fleisch oder auch Haut, ein ständiger Begleiter in der Malerei. Gerade was das Fleisch betrifft, haben sich etwa Rembrandt, Soutine oder auch Bacon, immer wieder an diesem Zwiespalt der Schönheit gemessen. Bacon war von der Schönheit des Rohen so fasziniert, dass er sogar die Aussage tätigte: „Selbstverständlich wird man als Maler ständig daran erinnert, dass die Farbe von Fleisch tatsächlich sehr, sehr schön ist. Nun, wir sind ja schließlich selbst Fleisch, potentielle Kadaver.

Das Fleisch spart Anneliese Schrenk aus, der Geruch des Tierischen ist aber trotzdem gegeben, wenn sie die Haut, welche das rohe Fleisch umgab, in ihre Kunstsprache übersetzt. In den neueren Arbeiten gibt sie dem Leder wieder einen Körper. Sie wäscht das Leder, trocknet es und bringt es in eine verhärtete Form. Ob am Boden liegend oder an der Wand hängend greifen die Lederteile aus, werden organisch oder erinnern an hingeworfene Stoffballen und weisen mit teils zarten Endstücken in den Raum. Wie Gewandfalten von barocken Figuren schwingen sie scheinbar in die Höhe und doch, kann schwarzes Leder diesem Vergleich aus dem Kirchenschmuck standhalten? Ja. Denn gerade die Ruhe, welche Anneliese Schrenks Arbeiten ausstrahlen verweisen auf diese geistige Transzendenz. Es kommt zu einem spannenden Gegenüber, zwischen Verletzlichkeit, schwarzem Leder, Leichtigkeit, oder auch Schönheit, welches den Werken eine spezielle Tiefe verleiht und somit noch einige Wege für die Zukunft offen lässt. Oft lesen wir über Anneliese Schrenk den Begriff der Brutalität… Die Haut und ihre Verletzlichkeit zeigen die Spuren der Vergangenheit. Auch diese Verletzung ist nicht neu, man denke nur an Lucio Fontana und seine der Leinwand zugefügten Schnitte. Aber auch Anneliese Schrenk bearbeitet in einigen Arbeiten das Leder und fügt diesem weitere Verletzungen zu, indem sie Feuer, Schuhpaste oder auch Säure einsetzt. Sie untersucht dadurch das Leder und sein Verhalten und akzentuiert – beziehungsweise „malt“ – auf dem Bildträger. Die dadurch entstandene Struktur der Erhebungen ist es auch, die in die Papierarbeiten aufgenommen wird. In der Frottage Technik, welche von Max Ernst in den Olymp der Kunstbegriffe übernommen wurde, paust sie verschiedenste Materialien und Strukturen ab. Ob Kieselsteine oder Pflasterböden, der Grafitstift übernimmt die Unebenheiten und es enstehen Arbeiten, die gleichsam der Leder“malerei“ eine Tiefenwirkung und eine Struktur aufweisen, welche wiederum an eine der vielen Definitionen der Abstrakten Kunst anknüpft.

Anneliese Schrenks Kunst greift typische Kunstbegriffe auf, um diese dann mit Hilfe des artfremden Materials zum Teil zu negieren. Dieses Material bleibt der Hauptakteur in ihren Arbeiten, die Künstlerin kann oft nur peripher im Sinne eines vorbestimmten Zufallsprinzipes eingreifen. Teils werden die Werke formbar und dann doch auch wieder nicht. Dadurch entstehen Spannungen: Verletzlichkeit gegen Schönheit, Reinheit gegen die Ursprünglichkeit des Materials: nämlich der Lederhaut!

Eva-Maria Bechter, bechter kastowsky galerie, Wien 2013

 

 

Zu: 66

Zunächst sieht es einmal so aus, als würde Anneliese Schrenk der Farbfeldmalerei und dem all-over den Vorzug geben, sich einreihend in die grosse jüngere Geschichte der amerikanischen Abstraktion und ihrer post-suprematistischen Absichten, eine Art screen herzustellen. Nicht nur die eher grossformatigen Bilder, auch die kleineren Arbeiten zeigen auf den ersten Blick diese Tendenz. Da würde es dann um eine Bildauffassung gehen, die auf die wahrnehmungssteigernden Wirkungen der Bild-Evakuation setzen, also auf eine Form der Wahrnehmung der Wahrnehmung in einem noetischen, bewusstseinslogisch akzentuierten Akt. Man könnte also meinen, dass Anneliese Schrenk sich auf den Standpunkt einer bis zum Äußersten getriebenen Abstraktion gestellt hätte, auf welchem ihre Bilder dann den Anspruch haben, den auch die american expressionists verfolgt haben: nämlich ein transzendentales, Welt-übersteigendes Satori zu erzeugen. Nun ist dem aber nicht so. Indem Anneliese Schrenk den Träger gewechselt hat, einen anderen Bildträger eingeführt hat, ereignet sich in dieser nun schon seit Längerem wie ein geölter Blitz dahinlaufenden Bildlogik des Abstraktionismus eine Schubumkehr. Die Malhaut, wie das so schön im übertragenen Sinne heisst, wird von ihr buchstäblich aufgefasst, was die Metapher auf den Kopf stellt. Sie macht abstrakte Bilder aus Häuten, aus dicken, gegerbten Rinderhäuten, auf denen sich zart die Narben, die Verdickungen, die Meridiane der lebenden Körper noch sehen lassen. Es ist wie Kurzschluss, der die weltferne Extravaganz der Abstraktion mit einem Knall umkehrt und auf dem Rücken eines toten Tieres befestigt. Der Keilrahmen erhält im Zuge dieser Brutalisierung (brutus=(wildes)Tier) die Funktion eines Knochengerüstes zugeteilt, wie überhaupt auf die denkbar direkteste Weise die Malerei zerlegt und in die Kategorien einer Lebendigkeit zurückgeschaufelt wird, an die sie sich gerade selbst kaum mehr zu erinnern schien. Dass also das Bild notwendig eine Abkopplung vom Reich des Körpers darstellt – derlei mag vor Anneliese Schrenks Intervention gegolten haben. Die Gewalt, die in diesen Bildern präsent ist, erklärt noch einmal denen, die sich durch das erste Kapitel der Lehre des Wiener Aktionismus noch nicht haben beeindrucken lassen, dass die Kunst eine Aktion einschliesst, die durch Zerstörung hervorbringt. Um es damit nicht genug sein zu lassen: Bruce Lipton unterstreicht in seinen sehr zeitgenössischen Elogen auf die wunderbaren Fähigkeiten der Zelle, dass nicht der Kern der Zelle ihr Gehirn darstelle, sondern ihre Membran. Die Membran sei lebenswichtig, der Kern nicht, dessen Zerstörung zwar zum Ende der Reproduktion, aber nicht ihrer Lebensfähigkeit führe. Übertragen auf die Körperstruktur bedeutet dies, wie Lipton mit Erkenntnissen der Embryonalforschung belegt, dass die Haut und das Gehirn aus demselben Abschnitt des Keimblattes hervorgegangen seien und daher äquivalent sind. Anneliese Schrenks direkte Einholung der Haut als Material der Abstraktion ist daher doch in gewisser Weise ein Suprematismus, also eine geistige Referenz, aber eine der anderen Art: sie zielt direkt auf die Art und Weise, wie Hirn und Welt in der Haut miteinander kurzgeschlossen sind.

Elisabeth von Samsonow zur Ausstellung: “66”, MUSA (Museum auf Abruf der Stadt Wien), Wien 2011/2012. Elisabeth von Samsonow, geboren 1956. Künstlerin und Universitätsprofessorin für Philosophische und historische Anthropologie der Kunst, Akademie d. b. Künste/Wien.

 

 

 

 


Lauter Zufälle

Die Kunst von Anneliese Schrenk ist äußerst still und zurückhaltend. Sie besteht aus einfarbigen Flächen. Da gibt es welche, die mit Farbstift, Pigmentmarker, Pigment, Büffelbeize und Schuhpaste auf Papier hergestellt werden. Und es gibt andere, die vorgefunden werden. In einer Lederfabrik kauft Anneliese Schrenk Rindshäute, die sie dann auf Keilrahmen spannt. Meist sind es Ausstoßhäute. Sie haben durch die Verarbeitung Löcher oder von Natur her Unregelmäßigkeiten. Manche der Häute werden mit Salpetersäure bearbeitet, die anderen bleiben, wie sie sind. Ist das schon Kunst, ein Stück Leder auf einen Keilrahmen zu spannen?
Normalerweise wird Leder in Verbindung mit Zwecken gesehen. Es wird für Möbel, Autositze, Taschen oder Schuhe verwendet. Dieses wunderbare Material wird meist nicht für sich betrachtet, frei von Gedanken an Verwendbarkeit. Die Kunst von Anneliese Schrenk schafft dazu die Möglichkeit. Noch etwas kommt dazu: Die Haut ist ein besonderes Organ, ein Ort, wo Innen und Außen kommunizieren. Die Haut trägt die Spuren von Verwundung, sie zeigt, was einem Lebewesen widerfahren ist. Für das Innere ist sie Grenze zur Außenwelt, für ein Außen Grenze zu einer Innenwelt. Die Haut und die Leinwand eines Bildes haben erstaunliche Ähnlichkeiten. Außen und Innen kommen hier zusammen. Ab der Mitte des vergangenen Jahrhunderts gibt es viele Bilder, deren Leinwand aufgeschnitten, durchlöchert oder sonstwie bearbeitet ist.
Die Kunst von Anneliese Schrenk besteht nicht so sehr im Herstellen, vielmehr im Aufsuchen. Sie weist auf etwas hin, das mir zufällt, wenn ich nur den rechten Blick habe. Sie macht geschenkte Schönheit wahrnehmbar. Was gibt es vor einer rechteckigen Lederfläche zu sehen? Sehr wenig, und zugleich sehr viel. Wenn in der Musik heute oft die Klänge so leise werden, dass sie an den Rand der Stille stoßen, dann bekommt das gerade noch Hörbare eine wunderbare Gegenwart. Es kommt aus der Stille, wie ein Geschenk. So ist es auch mit den Arbeiten von Anneliese Schrenk. Sie lassen mich still werden. Und wenn es ganz still geworden ist, dann bekommt die Haut, bekommen unmerkliche Farbdifferenzen oder Narben eine wunderbare Gegenwart. Es ist die einer geschenkten Schönheit, ganz anders als alles, was wir an Hergestelltem und Produziertem um uns haben. Sicher, auch das Leder und diese Bilder sind hergestellt. Aber sie verdecken nicht ihren Ursprung, sie machen ihn sichtbar.

Gustav Schörghofer, 2010. Gustav Schörghofer, geboren 1953. Studium der Kunstgeschichte und der Klassischen Archäologie. Studium der Philosophie und Theologie. Seit 1998 Kirchenrektor der Jesuitenkirche-Universitätskirche, Wien.

 


Ohne Titel

Ausstoßhäute einer Lederfabrik sind es, die Anneliese Schrenk auf einen Keilrahmen aufzieht. Die Häute weisen für die Fertigung zu viele Naturmerkmale auf. Das Format des Rahmens richtet sich nach der Größe des gefundenen Lederstücks. Eine Reihe von Zufällen organisiert hier die ästhetische Erfahrung. Denn es sind die natürlichen Fehler des Tieres und die Fehler innerhalb des Produktionsablaufs wie Farbspuren, Löcher, Risse, Schmutz, die bei Schrenk zum malerischen Vokabular werden.
Die abstrakte Malerei kann auf eine mittlerweile hundertjährige, durchaus wechselvolle Geschichte zurückblicken. Nichts Geringeres hatte man vor, als die abstrakte Kunst als Weltsprache zu manifestieren. Ihre gegenläufigen Motive, die von Vereinfachung, Reduktion und geometrischer Komposition über Lyrik, Automatismus und Zufall, über expressive, raumgreifende Gesten bis zu konzeptuellen und selbstreferentiellen Strategien reichen, beschreiben einen bis heute sich ausdifferenzierenden Prozess der Abstraktion.
Schrenks Werkästhetik verhält sich hierzu indifferent, indem sie an ‚Bartlebyʼ aus Herman Melvilles gleichnamiger Erzählung aus dem Jahre 1853 erinnernd, ein ‚I prefer not toʼ zu formulieren scheint: So verweigern sich ihre Lederbilder weder der Logik der Moderne noch fügen sie sich ihr bruchlos ein. Mit der Verwendung von Leder als found footage vollzieht die Künstlerin jedoch jenen Perspektivwechsel, der vom Autor zum Betrachter führt. Erst die Wahrnehmung des Objekts bringt dieses als abstraktes Gemälde hervor; d.h. die spezifische Form der Wahrnehmung setzt einen imaginären- malerischen Prozess frei. Die unerwünschten Fehler der Fabrikation entfalten ein neues Potenzial.
‚Wir fordern eine Kunst, die von allen ästhetischen Kunstgriffen frei ist…Wir entscheiden uns für die eigentliche Energie der Materie, ihren Drang zum Sein und zur Entfaltungʼ. Schrenks Bilder könnte man auf den ersten Blick als Erfüllung dieses so pathetisch formulierten Auszugs aus Lucio Fontanas ‚Manifesto blancoʼ aus dem Jahr 1946 bezeichnen. Denn scheinbar ist es nur die (bearbeitete) Materie, das im Prozess des Suchens Gefundene selbst, die das ‚Natürlicheʼ und ‚Wahreʼ konstruieren. Anneliese Schrenk tritt dieser Forderung entgegen, indem sie die (Material-) Fehler zu den Hauptakteuren ihrer Bilder macht. Die Abweichung von der planvollen Fertigung wird als krisenhafte Differenz zum Produktionsfaktor ästhetischer Erfahrung.

Eva Maria Stadler zur Ausstellung: „Empfindung oder in der Nähe der Fehler liegen die Wirkungen“, Augarten
Contemporary, Wien, 2009. Eva Maria Stadler, geboren 1964. Studium der Kunstgeschichte. 1994-2005 Leiterin des Grazer Kunstvereins. 2006/07 curator in residence an der Akademie der bildenden Künste, Wien. 2007-2011 Kuratorin für zeitgenössische Kunst an der Österreichischen Galerie Belvedere, Wien. Seit 2011 Leitung der Stadtgalerie Schwaz.

 


Formative Momente der Gestik


Anneliese Schrenk nimmt das Formenvokabular des Minimalismus und der Arte Povera auf, wodurch in ihren Bildern leichte Fehlstellen auftauchen, die die Verletzbarkeit von Materialien ebenso thematisieren wie die Unmöglichkeit eines perfektionalistischen Daseinsgedankens.

Anneliese Schrenk takes up the language of Minimalism and Arte Povera, leading to slight moments of displacement in her work, which addresses the vulnerability of materials as well as the impossibility of a perfectionist idea of being.

Auszug aus dem Text von Walter Seidl zur Gruppenausstellung: „Form“ im Raum K von Iris Dostal, Wien, 2008. Walter Seidl, geboren 1973. Kurator der Art Collection of Erste Bank Group. Freischaffender Kulturmanager, Kurator und Fotokünstler.

 


Die bildnerischen Arbeiten von Anneliese Schrenk lassen sich einteilen in:

Haut
Ihre gespannten Lederhäute, straffe Tierhüllen auf Keilrahmen, schauen so klar, monochrom, so eindeutig nicht nach Malerei aus. Diese Werksbedienung aus dem Malereifundus, der Keilrahmen, Schrenk setzt ihn fast rituell ein! Aufspannen einer ehemaligen Lebendigkeit, brutal schön in seiner Archaik. Gleichzeitig das modische Element, fast dekorativ, wie ein Möbel im Zimmer. Diese Spannung wird noch verstärkt weil das Geäderte durchscheint, die Linien zeigt, wo früher Blut durchgeströmt ist und jetzt ausgetrocknete Kanäle feine Fädenstrukturen zurückließ. Und eines darf bei allen, verschiedenfärbigen Bildern nicht fehlen: der Makel der Verletzung, der Riss, das Loch, die Öffnung. Schönheit gebiert sich wie ein verletztes Tier und treibt doch elegant seine Spielchen mit sich selbst und dem Gegenüber.

Oberflächenabrieb
Die Haushaut, die Innenwand, der Wohnraumboden, diese künstlichen Schutzschirme von uns Menschen gehören poliert. Schrenk poliert sehr modisch ab, was noch nie modisch, im textilen Sinn war. Den Fußboden mit Schuhcreme schwarz. Die Bretter stoßen in den sehr großen Papierarbeiten zurück. Mit dem Einrieb des weißen, über den Fußboden, gelegten Papiers, wird durchgepaust, abgepaust, aufgepaust … eine komisch, durchtreibende Bilderwelt entsteht. Wieder, wie bei ihren Häuten, scheinbar Monochromes, das doch viel mehr ist und doch gleichzeitig blendet die Schuhcreme wie Schuhcreme nur blenden kann, in so einem Werkprozess verfremdet.
Wände und Boden ergeben Bilder von Wänden und Boden. Genügt es nicht einfach sich auf sich selbst in all seiner Materialität zurückzuziehen?

Verdichtungen
Immer mehr, immer kleiner werden Schrenks Arbeiten, wenn sie unaufhörlich auf das weiße DinA4 Blatt einstreicht, einkugelt, einwirbelt. Sie hört nur auf, um sofort das nächste Blatt zu nehmen und dort weiterzuarbeiten, wo am vorherigen Blatt keine Möglichkeit mehr war, selber möglich zu sein. Serien um Serien um Serien stapelt sie sich ab. Strich, Strich, Punkt, Punkt rasende Betätigung und rasende Langeweile. Wer mag da schon unterscheiden, weil diese nimmermüden grafischen Arbeiten nie irgendwo ruhig liegen oder hängen können. Endlosigkeit ist am passensten. Was so beruhigend klingt kann Anneliese Schrenk mit Feuer und Flamme zelebrieren.

Markus Kircher, 2008. Markus Kircher, geboren 1970. Studium Bildende Kunst an der Akademie d. b. Künste/Wien. Lebt und arbeitet in Wien.